Storytelling für Online-Shops: “Ohne gute G’schichtln geht es nicht“

https://youtu.be/k9sf1lVPev4

Die Jungunternehmerin Theresa Imre hat eine Plattform für österreichische Bauern gegründet. Um deren Produkte im Online-Shop zu vertreiben, vertraut sie auf die Kraft des Storytellings, etwa im firmeneigenen Blog. Sie weiß: Je besser sie die Bauern porträtiert, desto leichter verkaufen sich deren Produkte.

Teresa Imre ist eine Wucht. Mit gerade mal 27 Jahren hat sie 2017 ihr eigenes Unternehmen gegründet. Markta versteht sich als „digitaler Bauernmarkt“: ein Online-Shop, in dem österreichische Bauern und Kleinproduzenten ihre Waren anbieten. Von Beginn an war Storytelling kein Mittel unter vielen, sondern die Hauptstrategie. Denn, so die gebürtige Steirerin, „ohne gute G’schichtln geht es nicht“. Wir erreichen sie telefonisch. Imre steckt mitten in den Vorbereitungen für die vierte Ausgabe von Markta vor Ort, einem Event im zweiten Wiener Gemeindebezirk.

H&H: Wie können wir Nicht-Wiener uns dieses Event vorstellen?

Imre:  Als einen Pop-up-Store in einer leerstehenden Eisenbahnhalle. Zwanzig bis dreißig unserer Produzenten werden dort ihre Produkte vorstellen. Ein DJ ist vor Ort, es wird gekocht und geplaudert, für die Kleinen gibt es ein Kinderprogramm. Inspiration waren die Bauernmärkte in Barcelona. Gerade bei so einem digitalen Konzept wie Markta ist es wichtig, nach draußen zu gehen.

H&H: An dessen Anfang stand das digitalste Ding überhaupt: ein Blog.  

Imre: Genau. Mit meiner Freundin Anna Zora habe ich den Blog Eingebrockt & Ausgelöffelt gegründet. Je erfolgreicher wir wurden, desto mehr Anfragen von Produzenten bekamen wir mit der Bitte um Zusammenarbeit. Bislang gab es Informationsplattformen oder Blogs oder von Supermärkten betriebene Onlineshops, die allerdings auf bestehende Strukturen setzten. Markta ist eine Mischung aus alldem. Derzeit bieten wir Produkte von 300 Produzenten an. Ich beschäftige zwölf feste Mitarbeiter und fünf auf Honorarbasis. Starre Strukturen gibt es nicht, Teams werden je nach Aufgabenbereich gebildet.

H&H: Dein Hintergrund ist grundsolide…

Imre: Vor der Gründung habe ich vier Jahre in einer Unternehmensberatung Start-ups gefördert. Dann habe ich ein Masterstudium in Socio-ecological Economics begonnen und parallel meine eigene Gründung vorangebracht. Nachhaltigkeit lag mir immer schon am Herzen. Die Großen werden größer, die Kleinen sterben aus. Markta greift das bereits in den 1980ern etablierte Modell der solidarischen Landwirtschaft auf und überträgt es auf die digitale Sphäre. Wir drehen die 80-20-Regel um, die besagt, dass der Großteil des Erlöses beim Vertrieb landet. Bei uns bekommen die Produzenten achtzig Prozent. Trotz Crowdfunding war mein Budget nicht gerade üppig. Es trotzdem in die Medien zu schaffen, das geht nur mit guten Geschichten.

H&H: Was sind das für Geschichten?

Imre: Anstatt den Leuten das Blaue vom Himmel zu lügen, wollen wir die realen Geschichten unserer Produzenten und deren Lebensmittel erzählen. Informativ und emotional gleichermaßen. Entsprechend hoch ist der Anspruch an Sprache und redaktionellen Content.

H&H: Wie sieht dieser Content aus?

Imre: Angesichts der Schnelllebigkeit sozialer Medien brauchen Inhalte eine knackige Botschaft. Dafür sorgen unsere Fotografen, Animatoren, Grafiker und Autoren. Wir besuchen die Produzenten, porträtieren sie, machen Fotos und Videos. Vor allem letzteres ist extrem wichtig. Mit Teaservideos erreicht man viel und viele. Je kürzer, desto besser. Trotzdem glaube ich an das geschriebene Wort. Menschen wollen lange, spannend aufbereitete Texte lesen – die kriegen sie künftig auf unserem Blog, der sich derzeit noch im Aufbau befindet. Unseren Kisten legen wir Briefe bei, in denen die Produzenten vorgestellt werden und Rezepte. Wenn die Kunden sie auspacken, bekommen sie gleich eine Idee, was sie mit den Produkten anstellen können. Ab April gehen wir einen Schritt weiter, indem wir die Kisten individualisieren, zum Beispiel in vegan oder geordnet nach bestimmten Regionen.

H & H: Was bedeuten Netzwerke für Dich?

Imre: Unsere Produzenten sind das Wichtigste. Nach den Interviews kochen wir gemeinsam oder gehen mit ihnen wandern. Wir tauschen uns aus, bekommen Tipps. Der Winzer empfiehlt uns den besten Fleischer der Region, der wiederum seinen Lieblingsbäcker. So entsteht nach und nach ein tolles Netzwerk. Neuerdings arbeiten wir mit Tourismusverbänden zusammen. In Österreich machen Übernachtungen auf dem Bauernhof elf Prozent aus. Wir nutzen dieses Potential, indem wir Jausenpakete für einzelne Höfe zusammenstellen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Gäste nach der Buchung ein Paket mit Produkten der Region zugesandt bekommen, als Einstimmung auf den Urlaub, oder dass sie bei ihrer Abreise Spezialitätenboxen mitnehmen. Wenn sie die Produkte zu Hause essen, erinnern sie sich an einen schönen Urlaub und haben Lust, gleich den nächsten zu buchen.

H & H: Wie erreicht ihr Eure Kunden genau?

Imre: Zum einen über den Blog, um den sich aktuell vier Mitarbeiter kümmern. Sie kuratieren die Inhalte, erstellen Infografiken. Zum anderen über einen Newsletter, dessen Öffnungsrate mit vierzig Prozent erfreulich hoch ist. Das gelingt durch Rabattcodes, aber auch durch kreative Aufbereitung mit Videos und Animationen. Für die Zukunft planen wir einen Podcast. Der soll allerdings weniger die Produzentenseite als unsere eigenen Beweggründe in den Vordergrund stellen. Außerdem kooperieren wir mit Bloggern. Und wir flyern ganz analog in Wiener Gastronomiebetrieben.

H & H: Wie geht ihr bei Social Media vor?

Imre: Darum kümmert sich ein Mitarbeiter. Am stärksten nutzen wir Instagram, wo wir etwa drei Posts pro Woche absetzen. Mindestens so wichtig sind Stories. Gerade entdecken wir Instagram TV für uns – ich finde es wichtig, bei solchen Neuerungen ganz vorne mit dabei zu sein. Auch die Facebook Cam hat etwas für sich, weil sich unsere Reichweite so verdreifacht. Bei all den Vorteilen der Digitalisierung schätzen wir aber den realen Moment. Deswegen planen wir Guerilla-Aktionen auf Wiener Straßen – zum Beispiel verteilen wir Minigurken mit dem Slogan „Auf die Größe kommt es nicht an“ – und Veranstaltungen wie Markta vor Ort. Deswegen schleppe ich hier gerade Kisten (lacht).

H & H: Wie messt ihr Eure Erfolge?

Imre: Durch die Öffnungsrate der Newsletter, die Anzahl der Seitenaufrufe von markta.at, der Verweildauer und natürlich der Anzahl der Bestellungen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Produzenten mit Porträts in ihrem Blog die Verkaufszahlen höher sind als bei solchen ohne. Letztlich sehe ich den Webshop aber nur als Teil eines großen Ganzen: Eines digitalen und analogen Netzwerks, das Hersteller und Kunden einander nahe bringt.

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